Sonntag, 9. Dezember 2018

Einsteins Rechenfehler

(zuletzt bearbeitet im Juni 2022)

1. In Einsteins mathematischen Szenarium zur speziellen Relativitätstheorie wird in einem auf der x-Achse mit der Geschwindigkeit v bewegten Koordinatensystem ein Lichtblitz gezündet. Dann stellt Einstein die Frage, welche Geschwindigkeit dieses Licht im ruhenden Koordinatensystem hat.

Hierbei ist zu beachten, dass Einstein zwei Voraussetzungen postuliert. Erstens wird die Lichtgeschwindigkeit nicht durch die Bewegung der Lichtquelle beeinflusst. Zweitens hat das Licht in allen gleichmäßig geradlinig bewegten Systemen dieselbe Geschwindigkeit, gleich in welchem System die Lichtquelle sitzt.

Einsteins daraus resultierende Überlegungen für den senkrecht auf der y-Achse laufenden Lichtstrahl sind in der Literatur anhand des bekannten rechtwinkligen Dreiecks ABC beschrieben. Der Lichtstrahl, der im bewegten System die Geschwindigkeit c hat, hat aus Sicht eines ruhenden Beobachters die Geschwindigkeit
V¯c² - v², wenn man Einsteins Postulate voraussetzt und der Einstein-Logik folgt.


2. Betrachten wir nun die auf der x-Achse, parallel zur Bewegungsrichtung des Systems, laufenden Lichtstrahlen.

B'..........C'..................A............................B.......C

Der von der Lichtquelle A in Bewegungsrichtung nach B laufende Lichtstrahl ist im ruhenden System ein Lichtstrahl A-C, der in die Gegenrichtung laufende Lichtstrahl A-B' ist im ruhenden System ein Lichtstrahl A-C'. Die Lichtgeschwindigkeit als Summe der Vektoren c und v beträgt im ersten Fall c + v, im zweiten Fall c -v.

Beachtet man jedoch die Postulate Einsteins, so hat im ruhenden System der Lichtstrahl A-C die Geschwindigkeit c, woraus der ruhende Beobachter für den Lichtstrahl A-B im bewegten System die Geschwindigkeit c - v errechnet. Die entsprechende Rechnung für den Lichtstrahl in der Gegenrichtung ergibt c + v.  Siehe hierzu die Gleichungen in Einsteins Text von 1905 (Seite 898 unten bis Seite 900 oben), wo Einstein mit den Lichtgeschwindigkeiten c - v und c + v rechnet.


3. Einsteins Rechenfehler 
Gleich wie man es dreht und wendet, die beiden Lichtstrahlen auf der x-Achse haben "aus Sicht" des anderen Koordinatensystems unterschiedliche Geschwindigkeiten, nämlich  c - v und c + v, wie Einstein selbst als Zwischenergebnis ermittelt . Daraus kann niemals das von Einstein erzielte einheitliche Ergebnis von V¯c² - v²  für jeden der beiden Lichtstrahlen resultieren.

In der relativistischen Literatur findet man unterschiedliche Wege, die zum Ergebnis führen, dass aus Sicht des ruhenden Systems das Licht auf der x-Achse des bewegten Systems die einheitliche Geschwindigkeit V¯c² - v² hat. Dabei wird meist Einsteins Szenarium zugrunde gelegt, in welchem der Lichtstrahl A - B reflektiert wird, und man nimmt aus c - v und c + v den Durchschnitt c. Anschließend greift man auf die spezielle Messvorschrift Einsteins zurück: Die Zeitdehnung führt zur scheinbaren Längenkontrakion auf der x-Achse, wodurch c zu V¯c² - v² wird.

Diese abwegige Gedankenakrobatik täuscht darüber hinweg, dass die gegenläufigen Lichtstrahlen A - B und A - B' aus Sicht des ruhenden Systems unterschiedliche Geschwindigkeiten haben. Die rechnerische  Durchschnittsgeschwindigkeit von zwei gegenläufigen Lichtstrahlen ist aber ohne Interesse für die Transformation der bewegten Lichtkugelwelle in das ruhende System. Einstein hat sein Szenarium vermutlich aus der Mathematik zum Michelson-Morley-Experiment übernommen, wo der Lichtstrahl AB tatsächlich reflektiert wird. Will man aber, wie Einstein, die einzelnen Lichtstrahlen in das andere Koordinatensystem transformieren, dann muss das für jeden Lichtstrahl getrennt erfolgen. 

Randbemerkung: Die Lichtgeschwindigkeit V¯c² - v² soll laut Literatur auf der y-Achse ein realer Effekt sein, die Längenkontraktion auf der x-Achse und somit die daraus folgende Lichtgeschwindigkeit V¯c² - v² auf der x-Achse nur ein Scheineffekt.   

Den Hinweis, dass Einstein die bewegte Lichtkugelwelle fehlerhaft in das ruhende System transformiert, verdanke ich der Mathematikerin Gertrud Walton.





Freitag, 19. Oktober 2018

Relativitätstheorie und Weltanschauung

Nach eigener Erklärung des jungen Albert Einstein war sein philosophisches Vorbild der Physiker und Philosoph Ernst Mach. Dieser war um 1900 eine wissenschaftliche Autorität ersten Ranges. Er forderte die Abschaffung der absoluten Zeit in der Physik, weil er sie für eine metaphysische Idee hielt. Schon Newton hatte gesagt, dass man die absolute Zeit mit Uhren, die stets mehr oder weniger ungleichmäßig gehen, nicht messen kann. Auch Atome konnte man damals nicht beobachten, sodass es nur konsequent war, wenn Mach auch deren Abschaffung vorschlug. Mit dieser Auffassung stand er nicht allein, sondern seine Erkenntnistheorie, der sogenannte Empiriokritizismus, fand weitgehende Zustimmung in der damals positivistisch geprägten Naturwissenschaft. So sagte z. B. ein berühmter Mediziner, er habe bei keiner Leichensektion eine Seele gefunden, folglich könne es nach seiner Überzeugung keine Seele geben.

Die Erkenntnistheorie von Ernst Mach lautet auf den Punkt gebracht: "Die Beobachtung ist unsere einzige Wirklichkeit." Nach damaliger positivistischer Auffassung beruht das gesamte menschliche Wissen auf Erfahrung. Das logische Denken ist dabei nur von untergeordneter Bedeutung.

Auch der junge Einstein hat sich den Grundsatz angeeignet, wonach die Beobachtung unsere einzige Wirklichkeit ist. Diese erkenntnistheoretische  Maxime ist von entscheidender Bedeutung in der  speziellen Relativitätstheorie, auch wenn Einstein sie an keiner Stelle ausspricht, sondern nur stillschweigend anwendet. Ohne die aus dem 19. Jahrhundert stammende und veraltete positivistische Gleichsetzung von Beobachtung und Wirklichkeit ist nicht erklärbar, wie Einstein zu seiner subjektivistischen Definition kommt, wonach die Gleichzeitigkeit von Ereignissen kein objektiver Sachverhalt ist, sondern von subjektiven Sinneseindrücken abhängt. Entsprechendes gilt für die  Zeit, die nach Einstein davon abhängt, was unterschiedlich bewegte  Beobachter von einer Uhr ablesen. Oder man denke an die ansonsten nicht nachvollziehbare Behauptung, dass eine bewegte Uhr nicht scheinbar, sondern wirklich nachgeht, was Einstein zu der absurden Konsequenz von Zeitreisen führt. Und nicht zuletzt postuliert Einstein, dass die Lichtgeschwindigkeit in jedem System die Größe c hat, aber im Widerspruch dazu soll die einzige Wirklichkeit des ruhenden Beobachters die von ihm für das bewegte System festgestellte Lichtgeschwindigkeit V¯c² - v²  sein, was zwei unterschiedliche physikalische Wirklichkeiten zur Folge hat.

Zwanzig Jahre nach Veröffentlichung der speziellen Relativität sagte der realistischer gewordene Einstein in einem Gespräch mit Werner Heisenberg über Relativitätstheorie und Erkenntnistheorie: "Vielleicht habe ich diese Art von Philosophie benützt, aber sie ist trotzdem Unsinn." (Werner Heisenberg, Quantentheorie und Philosophie, Band 9948 Reclam Universalbibliothek). Konsequenzen daraus hat Einstein nicht gezogen, vielleicht weil er selbst wie alle Welt die Relativitätstheorie für mathematisch erwiesen hielt.

Den heutigen Meinungsführern der relativistischen Physik ist wohl klar, dass Einsteins subjektivistische Definitionen von Zeit und Gleichzeitigkeit  sowie seine naive Gleichsetzung von Beobachtung und Wirklichkeit auf überholten philosophischen Positionen aus dem 19. Jahrhundert beruhen und daher unhaltbar sind. Deshalb betreiben sie den Rückzug auf Raten. Sie bestreiten den philosophischen Hintergrund der Relativitätstheorie, diese habe nichts mit einer bestimmten Weltanschauung zu tun. Sie sei eine physikalische Theorie, die auf dem Prinzip der konstanten Lichtgeschwindigkeit basiert. Für den Beobachter, der sich zur Lichtquelle hin bewegt, gilt nicht c + v, sondern c. Wird dieses Postulat widerlegt, so ist die Relativitätstheorie widerlegt. Dabei beruft man sich hauptsächlich auf das Michelson-Morley-Experiment (1887). Bemerkenswert ist, dass bei diesem Experiment die Lichtgeschwindigkeit nicht gemessen wird.

Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis das Prinzip der konstanten Lichtgeschwindigkeit experimentell widerlegt wird. (Tatsächlich wurde es längst widerlegt, aber die Ergebnisse von Experimenten lassen sich bekanntlich unterschiedlich deuten oder man kann sie einfach ignorieren).  Aber durch kein Experiment der Welt sind die abwegigen Vorstellungen von Zeit, Gleichzeitigkeit und Wirklichkeit beweisbar, auf denen die Theorie beruht. Daraus folgt, dass die Zeitdehnung als realer Effekt sowie Zeitreisen ausgeschlossen sind, gleich ob das Prinzip der konstanten Lichtgeschwindigkeit zutrifft oder nicht. Denn nicht die Zeit ist relativ, sondern Messergebnisse bedürfen der Korrektur einfacher Scheineffekte, wenn Objekt und Beobachter in unterschiedlichem Bewegungszustand sind.  -  Die theoretische Physik hat sich über 100 Jahre lang auf Einsteins  Zeitmetaphysik eingelassen. Nun steht man vor dem Problem, wie man aus dieser Nummer wieder herauskommt.




Mittwoch, 21. Februar 2018

Relativität - Wissenschaft oder Weltanschauung von gestern?

(Mit Änderungen vom 10. April 2018)

Teil 1 - Schein und Wirklichkeit


Welche dieser beiden Linien ist länger?

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Die untere Linie ist die längere von beiden, sagt der gesunde Menschenverstand spontan.
Falsch, sagt die Philosophie der Relativität. Du kannst gar nicht wissen, welche der beiden Linien länger ist, weil du nicht weißt, wie weit jede der beiden Linien von dir entfernt ist. Diese Überlegung mag in manchen konkreten Einzelfällen zutreffen. Aber wer sich diese Denkweise als Prinzip zu eigen macht, der befindet sich auf dem Irrweg des Relativismus, und er wird fortan den Wert des gesunden Menschenverstandes in Zweifel ziehen. (Nur um Missverständnissen vorzubeugen, weil ein Leserkommentar das moniert hat: Das Beispiel stammt natürlich nicht aus der speziellen Relativitätstheorie, sondern aus einer Vorlesung über die Philosophie der Relativität).

Ein anderes Beispiel. Zwei Männer stehen sich in einem Abstand von 10 oder 20 Metern gegenüber. Jeder peilt den anderen über den Daumen an und sieht, dass der andere nur daumengroß ist. Aber aus Erfahrung wissen wir, dass ein erwachsener Mensch größer als ein Daumen ist. Ein konsequenter Relativist (im Sinne des philosophischen Relativismus) würde jedoch sagen, dass  jeder der beiden Männer aus Sicht des jeweils anderen nur daumengroß ist, das sei nun einmal die Wirklichkeit. Denn eine objektive physikalische Wirklichkeit gebe es nicht, statt dessen sei die Beobachtung unsere einzige Wirklichkeit. Mathematisch lässt sich sogar problemlos beweisen, dass in unserem Beispiel jeder der beiden Männer für den anderen nur daumengroß ist. Und man könnte darauf eine Theorie über die Relativität der Körpergröße gründen.

Solche Beispiele lassen sich in beliebiger Anzahl finden. Ist der Mond wirklich nur eine kleine Scheibe, so wir ihn von der Erde aus beobachten, oder hat er in Wirklichkeit einen Durchmesser von 3476 km? Hier wird der Unterschied zwischen Schein und Wirklichkeit klar. Vor allem wird klar: Die relativistische Betrachtungsweise verliert ihre Aussagekraft, sobald wir den Bereich der von der Wirklichkeit losgelösten  Mathematik verlassen und uns in die reale Welt begeben. Anders gesagt, die Relativität ist offenkundig Unsinn, sobald wir über einen Gegenstand bessere Erkenntnisquellen als die bloße Beobachtung haben.

Nun spielen in der Relativitätstheorie die optischen Gesetze, genauer die perspektivischen Regeln,   keine Rolle. Doch auch hier geht es in der kritischen Diskussion u. a. um die Frage, ob die Zeitdehnung Schein oder Wirklichkeit ist, ob es mehrere physikalische Wirklichkeiten geben kann. Eine der  Grundlagen der Relativitätstheorie ist der erkenntnistheoretische Grundsatz von Einsteins erklärtem Vorbild Ernst Mach: Die Beobachtung ist unsere einzige Wirklichkeit. Erst 20 Jahre später befreite sich der älter und klüger gewordene Einstein von dieser obsoleten philosophischen Maxime und vertrat statt dessen die realistische Auffassung, dass der Mond auch dann scheint, wenn wir ihn nicht beobachten.

Werner Heisenberg hat ein Gespräch mit Albert Einstein aus dem Jahr 1926 aufgezeichnet. Es ging vor allem um die Frage, ob die Beobachtung die einzige Quelle wissenschaftlicher Erkenntnis ist. Auf den Hinweis von Heisenberg auf die Relativitätstheorie sagt Einstein: "Vielleicht habe ich diese Art von Philosophie verwendet, aber sie ist trotzdem Unsinn." (Werner Heisenberg, Quantentheorie und Philosophie, Hrsg. Jürgen Busche, Reclam Nr. 9948).

In § 2 seines Textes von 1905 (spezielle Relativitätstheorie) erklärt Einstein am Beispiel mit dem bewegten Stab, dass Zeit und Gleichzeitigkeit relativ sind, weil unterschiedlich bewegte Beobachter infolge unterschiedlicher Lichtlaufzeiten bestimmte Beobachtungen zu unterschiedlichen Zeiten machen. Nicht nur die Populärliteratur zeigt in vielen Gedankenexperimenten Einsteins oder seiner Anhänger (oft dient eine fahrende Eisenbahn zur Veranschaulichung), dass der im Zug fahrende und der am Bahndamm stehende Beobachter ein bestimmtes Ereignis infolge wechselnder Lichtlaufzeiten zu unterschiedlichen Zeiten sehen. Die relative Zeit ist demnach ein Scheineffekt. Dadurch wird  eine  Kernaussage der Relativitätstheorie widerlegt, nämlich dass aus der Theorie die Möglichkeit von Zeitreisen folgt.

Zieht man dagegen die relativistische Literatur zu Rate, so beruht die relative Zeit keineswegs auf wechselnden Lichtlaufzeiten zwischen Objekt (oder Lichtquelle) und Beobachter. Hierfür wird § 3 von Einsteins Arbeit aus dem Jahr 1905 herangezogen. Dort ist nicht von Beobachtern die Rede, sondern von Koordinatensystemen. Aber das ändert im Grunde nichts. Werden zwei Koordinatensysteme parallel gegeneinander bewegt, so hat ein rechtwinklig zur Bewegungsrichtung laufender Lichtstrahl zwischen den beiden Koordinatensystemen effektiv eine geringere Geschwindigkeit als c, nämlich V¯c² - v² . Diese Überlegung ist bekannt aus der Mathematik zum Michelson-Morley-Versuch. Auch hier ist V¯c² - v² nichts anderes als die effektive Lichtgeschwindigkeit zwischen Lichtquelle und Beobachter. - Stellt man dagegen die Frage, welche Geschwindigkeit der im bewegten System senkrecht zur Bewegungsrichtung mit c laufende Lichtstrahl in einem ruhenden Koordinatensystem hat, so lautet die mathematisch korrekte Antwort V¯c² + v² .

Nach der Relativitätstheorie soll derselbe Lichtstrahl, der im bewegten Koordinatensystem die Geschwindigkeit c hat, auch im relativ dazu ruhenden Koordinatensystem dieselbe  Geschwindigkeit haben. Ein mathematisches und logisches Unding. Daraus folgt, dass nicht V¯c² - v² oder V¯c² + v², sondern c auf der schrägen Linie AC gilt. (siehe Abbildung unten). Daraus wiederum soll ein ruhender Beobachter folgern, dass der Lichtstrahl im bewegten System die Geschwindigkeit V¯c² - v²  hat. Und das soll - wohlgemerkt - die einzige Wirklichkeit für den ruhenden Beobachter  sein. Der Widerspruch zu der durch Einstein getroffenen Voraussetzung, wonach der Lichtstrahl im bewegten System in Wirklichkeit die Geschwindigkeit c hat, ist offenkundig. Wenn c eine unveränderliche Größe ist, dann ist jede andere Lichtgeschwindigkeit als c ein Scheineffekt.

Wenn aber der unterschiedliche Verlauf der Zeit in unterschiedlich bewegten Systemen nur ein Scheineffekt ist, dann sind Zeitreisen logisch nicht denkbar, und die ganze Theorie ist reif für den Papierkorb. Doch der Relativismus versteht die subjektive Beobachtung als die einzige Wirklichkeit - und schon wird der Scheineffekt  auf wundersame Weise zur Wirklichkeit. Die Wissenschaft verheißt uns Zeitreisen und damit die Erfüllung des Traumes von ewiger Jugend. Dass dies ein Irrweg ist, wird selbst noch im 21. Jahrhundert beharrlich ignoriert.

Die Sekunde ist international exakt definiert als ein festes Maß. Wozu soll es gut sein, wenn unterschiedlich bewegte Beobachter unterschiedliche Sekunden zur Zeitmessung verwenden? Die  Beobachter müssen doch ihre unterschiedlichen Messergebnisse nur mit dem sogenannten Lorentzfaktor umrechnen, und schon ist klar, dass überall dieselbe Zeit herrscht. Ach ja, der gesunde Menschenverstand gilt nicht, weil Wissenschaft doch viel komplizierter ist. Sollen wir glauben, dass die Menschen auf der anderen Straßenseite wirklich nur daumengroß sind?


Zur Erläuterung:

A
|
|
| c oder V¯c²-v²?
|
|
|
B-------C
      v

Obwohl Einstein postuliert, dass der Lichtstrahl AB die Geschwindigkeit c hat, soll V¯c² - v² (der Wert, den der ruhende Beobachter berechnet) ebenfalls die Wirklichkeit beschreiben. Zwei verschiedene physikalische Wirklichkeiten? Zeitreisen sollen möglich sein, wenn man von einer Wirklichkeit in die andere wechselt?



Teil 2 - Weltanschauung von gestern

Die spezielle Relativitätstheorie beruht nicht nur auf den physikalischen Postulaten Einsteins. Sie ist gleichermaßen auf dem Boden des Zeitgeistes um 1900 entstanden. Mit Zeitgeist um 1900 meine ich bestimmte philosophische Modeströmungen, die damals großen Einfluss in der Wissenschaft hatten. In erster Linie ist die Wiederbelebung der auf G. W. Leibniz zurückgehenden relationistischen Auffassung von Raum und Zeit zu nennen. Sie enthält eine fortschrittliche Komponente, weil nach aktuellem Stand der Wissenschaft tatsächlich kein fester Bezugspunkt im Raum gegeben ist, woraus folgt, dass Bewegung (im Sinne von Ortsveränderung) relativ ist. Der Relationismus  enthält daneben auch eine rückschrittliche  Komponente, weil er das Ende der absoluten Zeit bedeutete und den Keim der relativen Zeit in sich trug.

Der wohl bedeutendste Protagonist dieser philosophischen Strömungen war der Physiker und Erkenntnistheoretiker Ernst Mach. Seine Forderung nach Entfernung der absoluten Zeit aus der Physik hatte weltanschauliche Gründe, denn im 19. Jahrhundert war der Fortschritt durch  Materialismus und Positivismus geprägt, alles Absolute wurde in Frage gestellt. Überdies konnte sich Mach auf Newton als Zeugen berufen, der schon erkannt hatte, dass die absolute, wahre Zeit mit Uhren, die naturgemäß ungleichmäßig gehen, nicht messbar ist. Mach war zu seiner Zeit eine überragende wissenschaftliche Autorität, und so ist es erklärbar, dass der junge Einstein ihn als Vorbild betrachtete und die Forderung nach Abschaffung der absoluten Zeit in eine Theorie umsetzte.

Zu den einflussreichen philosophischen Strömungen dieser Zeit gehörte der Positivismus, der alles Wissen auf Erfahrung zurückführt, wogegen die Verstandeslogik als sekundäres Produkt gilt. Die daraus entwickelte Erkenntnistheorie von Ernst Mach, der sogenannte Empiriokritizismus, leugnet sogar eine objektive Wirklichkeit und geht damit noch einen Schritt weiter als die idealistische Philosophie Immanuel Kants, die von der Existenz der objektiven Wirklichkeit überzeugt ist, aber deren Erkennbarkeit bestreitet. Mach formte den Positivismus zu einem extremen Sensualismus aus, der in der Maxime gipfelt, dass die Beobachtung unsere einzige Wirklichkeit ist. Was man nicht beobachten kann, existiert nicht und ist metaphysische Spekulation, und so war es damals nur konsequent, dass Mach auch die Existenz des Atoms bestritten hat.

Der Sensualismus von Ernst Mach erscheint unverkennbar in Einsteins Definition von Gleichzeitigkeit. Sie hängt ausschließlich ab von Sinneseindrücken der Beobachter (§ 2 von Einsteins Text von 1905). Damit ist Gleichzeitigkeit per Definition relativ, unabhängig von jedem mathematischen "Beweis". Ich setze "Beweis" in Anführungszeichen, weil die Fragen was Raum, Zeit und Gleichzeitigkeit sind, philosophische Fragen sind, die niemals durch Beobachten, Messen, Experimentieren und Rechnen entschieden werden können. Nach einem Wort von Martin Heidegger kann die Naturwissenschaft mit ihren Mitteln gar nicht entscheiden, was Raum und Zeit sind.

Auch die Folgerung,  die Einstein aus seiner Theorie zieht, nämlich dass die Zeit in bewegten Systemen wirklich und nicht nur scheinbar langsamer verläuft, bleibt rätselhaft, es sei denn, man zieht den Satz zur Erklärung heran, dass die Beobachtung unsere einzige Wirklichkeit ist. Nur unter dieser Voraussetzung kann man dem Irrtum erliegen, dass das Ausbreitungsverhalten von Licht einen Einfluss auf die Zeit hat. Aber die Zeit ist keine mathematische Funktion von Licht- und Systemgeschwindigkeiten, sondern Geschwindigkeit wird an der Zeit gemessen. Nur wer die eigenwilligen Vorstellungen Einsteins von Raum und Zeit teilt, kann deren mathematische Verformung für ein Abbild der Natur halten.