Freitag, 19. Oktober 2018

Relativitätstheorie und Weltanschauung

Nach eigener Erklärung des jungen Albert Einstein war sein philosophisches Vorbild der Physiker und Philosoph Ernst Mach. Dieser war um 1900 eine wissenschaftliche Autorität ersten Ranges. Er forderte die Abschaffung der absoluten Zeit in der Physik, weil er sie für eine metaphysische Idee hielt. Schon Newton hatte gesagt, dass man die absolute Zeit mit Uhren, die stets mehr oder weniger ungleichmäßig gehen, nicht messen kann. Auch Atome konnte man damals nicht beobachten, sodass es nur konsequent war, wenn Mach auch deren Abschaffung vorschlug. Mit dieser Auffassung stand er nicht allein, sondern seine Erkenntnistheorie, der sogenannte Empiriokritizismus, fand weitgehende Zustimmung in der damals positivistisch geprägten Naturwissenschaft. So sagte z. B. ein berühmter Mediziner, er habe bei keiner Leichensektion eine Seele gefunden, folglich könne es nach seiner Überzeugung keine Seele geben.

Die Erkenntnistheorie von Ernst Mach lautet auf den Punkt gebracht: "Die Beobachtung ist unsere einzige Wirklichkeit." Nach damaliger positivistischer Auffassung beruht das gesamte menschliche Wissen auf Erfahrung. Das logische Denken ist dabei nur von untergeordneter Bedeutung.

Auch der junge Einstein hat sich den Grundsatz angeeignet, wonach die Beobachtung unsere einzige Wirklichkeit ist. Diese erkenntnistheoretische  Maxime ist von entscheidender Bedeutung in der  speziellen Relativitätstheorie, auch wenn Einstein sie an keiner Stelle ausspricht, sondern nur stillschweigend anwendet. Ohne die aus dem 19. Jahrhundert stammende und veraltete positivistische Gleichsetzung von Beobachtung und Wirklichkeit ist nicht erklärbar, wie Einstein zu seiner subjektivistischen Definition kommt, wonach die Gleichzeitigkeit von Ereignissen kein objektiver Sachverhalt ist, sondern von subjektiven Sinneseindrücken abhängt. Entsprechendes gilt für die  Zeit, die nach Einstein davon abhängt, was unterschiedlich bewegte  Beobachter von einer Uhr ablesen. Oder man denke an die ansonsten nicht nachvollziehbare Behauptung, dass eine bewegte Uhr nicht scheinbar, sondern wirklich nachgeht, was Einstein zu der absurden Konsequenz von Zeitreisen führt. Und nicht zuletzt postuliert Einstein, dass die Lichtgeschwindigkeit in jedem System die Größe c hat, aber im Widerspruch dazu soll die einzige Wirklichkeit des ruhenden Beobachters die von ihm für das bewegte System festgestellte Lichtgeschwindigkeit V¯c² - v²  sein, was zwei unterschiedliche physikalische Wirklichkeiten zur Folge hat.

Zwanzig Jahre nach Veröffentlichung der speziellen Relativität sagte der realistischer gewordene Einstein in einem Gespräch mit Werner Heisenberg über Relativitätstheorie und Erkenntnistheorie: "Vielleicht habe ich diese Art von Philosophie benützt, aber sie ist trotzdem Unsinn." (Werner Heisenberg, Quantentheorie und Philosophie, Band 9948 Reclam Universalbibliothek). Konsequenzen daraus hat Einstein nicht gezogen, vielleicht weil er selbst wie alle Welt die Relativitätstheorie für mathematisch erwiesen hielt.

Den heutigen Meinungsführern der relativistischen Physik ist wohl klar, dass Einsteins subjektivistische Definitionen von Zeit und Gleichzeitigkeit  sowie seine naive Gleichsetzung von Beobachtung und Wirklichkeit auf überholten philosophischen Positionen aus dem 19. Jahrhundert beruhen und daher unhaltbar sind. Deshalb betreiben sie den Rückzug auf Raten. Sie bestreiten den philosophischen Hintergrund der Relativitätstheorie, diese habe nichts mit einer bestimmten Weltanschauung zu tun. Sie sei eine physikalische Theorie, die auf dem Prinzip der konstanten Lichtgeschwindigkeit basiert. Für den Beobachter, der sich zur Lichtquelle hin bewegt, gilt nicht c + v, sondern c. Wird dieses Postulat widerlegt, so ist die Relativitätstheorie widerlegt. Dabei beruft man sich hauptsächlich auf das Michelson-Morley-Experiment (1887). Bemerkenswert ist, dass bei diesem Experiment die Lichtgeschwindigkeit nicht gemessen wird.

Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis das Prinzip der konstanten Lichtgeschwindigkeit experimentell widerlegt wird. (Tatsächlich wurde es längst widerlegt, aber die Ergebnisse von Experimenten lassen sich bekanntlich unterschiedlich deuten oder man kann sie einfach ignorieren).  Aber durch kein Experiment der Welt sind die abwegigen Vorstellungen von Zeit, Gleichzeitigkeit und Wirklichkeit beweisbar, auf denen die Theorie beruht. Daraus folgt, dass die Zeitdehnung als realer Effekt sowie Zeitreisen ausgeschlossen sind, gleich ob das Prinzip der konstanten Lichtgeschwindigkeit zutrifft oder nicht. Denn nicht die Zeit ist relativ, sondern Messergebnisse bedürfen der Korrektur einfacher Scheineffekte, wenn Objekt und Beobachter in unterschiedlichem Bewegungszustand sind.  -  Die theoretische Physik hat sich über 100 Jahre lang auf Einsteins  Zeitmetaphysik eingelassen. Nun steht man vor dem Problem, wie man aus dieser Nummer wieder herauskommt.




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