Samstag, 7. November 2020

Antwort auf einige Leserkommentare

 Zu meinem relativitätskritischen Blog "Zeit und Relativität" sind Leserkommentare möglich, über deren Veröffentlichung ich allerdings selbst entscheiden kann. In letzter Zeit kamen einige wenige zustimmende, aber in der Mehrzahl kritische Kommentare. Letztere waren teils gut gemeint, teils knappe Statements, dass ich nichts verstanden hätte oder dass ich auf die Veröffentlichung von Unsinn im Internet verzichten solle. Kommentare dieser Art bringen die Wissenschaft nicht voran, weshalb ich sie nicht im Wortlaut veröffentliche. 

Statt dessen möchte ich den Befürwortern der Relativitätstheorie zu bedenken geben:

1. Wenn Sie Einsteins berühmten Text von 1905 unvoreingenommen lesen, dann sollte Ihnen auffallen, dass die Relativitätstheorie nicht allein auf dem (zweifelhaften) physikalischen Postulat der konstanten Lichtgeschwindigkeit beruht. Vielmehr setzt sie philosophische Vorbedingungen voraus, die nicht mathematisch oder experimentell beweisbar sind. Dies sind

- die relationistische Auffassung von Zeit und Raum 

- die Gleichsetzung von Zeit mit dem, was wir von der Uhr ablesen 

- eine allen Berechnungen vorausgehende Definition von Gleichzeitigkeit, die um 1905  weithin akzeptiert wurde, aber heute obsolet ist. Danach wäre die Gleichzeitigkeit von zwei Ereignissen kein objektiver Sachverhalt, sondern hinge von den individuell unterschiedlichen Sinneseindrücken der Beobachter ab. Einsteins Mathematik liefert keinen Beweis für die Relativität, sondern zeigt das Maß der voraus postulierten Relativität. 

- die Gleichsetzung von Beobachtung und physikalischer Wirklichkeit (eine bewegte Uhr geht nicht scheinbar, sondern tatsächlich nach)

Diese philosophischen Voraussetzungen, ohne welche die Relativitätstheorie nicht entstanden wäre, gehen zurück auf Positionen des philosophischen Positivismus des 19. Jahrhunderts (bzw. der von G.W. Leibniz stammende Relationismus wurde im 19. Jahrhundert durch Ernst Mach wiederbelebt).


2.  Seit Karl Popper ist allgemein anerkannt, dass Beobachtungen und Experimente keine sicheren Beweise für eine wissenschaftliche Theorie liefern können. Vielmehr hängt die Deutung von Beobachtungen und Experimenten von der Theorie ab. Mit anderen Worten: Nur wenn ich die Relativität der Zeit bereits voraussetze, kann ich bestimmte Beobachtungen und Experimente als Bestätigung für die relative Zeit werten. 


3. Die zentrale und grundlegende Frage, welchen Sinn eine Physik ohne feste Maßeinheiten haben soll, wurde bereits im Jahr 1925 gestellt, aber nie beantwortet. Um Irrtümern vorzubeugen: Die Frage wurde nicht etwa von einem antisemitischen Befürworter einer "deutschen Physik" gestellt, sondern von dem Philosophen Oskar Kraus. (Oskar Kraus: Offener Brief an Albert Einstein und Max von Laue, Wien, 1925). Er war Professor an der deutschen Universität in Prag, jüdischer Herkunft wie Albert Einstein und verstarb 1942 im englischen Exil. 

Ich glaube, die gängige Antwort auf die genannte Frage bereits zu kennen, nämlich Oskar Kraus habe ebenso wenig wie all die anderen, damals zahlreichen Kritiker die Gedanken und die Mathematik Einsteins verstanden. Woraus umgekehrt zu schließen ist: Die meisten Physiker haben nie verstanden, dass die durch Oskar Kraus gestellte Frage von zentraler und grundlegender Bedeutung für die Physik ist. Denn der einschlägige Teil (§§ 1 - 5) der speziellen Relativitätstheorie von 1905 behandelt die Frage, um welchen Faktor das Zeitmaß verändert werden muss, damit die Lichtgeschwindigkeit in unterschiedlich bewegten Systemen konstant bleibt. Es geht in der Relativitätstheorie, wie Louis Essen, Erfinder der Atomuhr und einstmaliger Leiter der britischen Behörde für das Maßwesen gesagt hat, nicht um eine neue Erkenntnis über die Natur, sondern um die Einführung eines Systems gleitender Maßeinheiten.



   



 

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